AGBeratung

Dann gründen wir halt’ einen Verein….

24.08.2013

„Wir wollen einen Verein gründen, damit wir unser Projekt starten können“, mit sehr ähnlichen klingenden Anfragen beginnt oft die Beratung von Gruppen.

Jede Kleinstadt von 10.000 Einwohner_innen betreibt in Deutschland statistisch gesehen 71,3 Vereine, insgesamt kommen so über 580.000 zustande, Tendenz: steigend. Warum also nicht auch wir, so verkehrt kann das ja nicht sein!

Ist es aber nach unserer Erfahrung letztlich doch, jedenfalls ist es kein Allheilmittel für solidarische, selbstverwaltete und gemeinschaftliche Projekte.

Nicht, dass eine offizielle Rechtsform immer entbehrlich wäre, informelle Strukturen für die Entwicklung von Gemeinschaftsprojekten ausreichen. Nein, problematisch ist die Reihenfolge: erst gründen und danach die Praxis? Mal abgesehen davon, dass ein Verein für viele Vorhaben völlig untauglich ist, genauso wie eG’s , GmbH’s oder GbR’s große Nachteile haben, aber das ist ein anderes Thema… Die Reihenfolge der Herangehensweise bei einer Projektidee soll heute im Mittelpunkt stehen.

„Dürfen wir jetzt schon eine homepage machen?“

„Ist es erlaubt ohne Rechtsform öffentlich einen Film zu zeigen?“

„Was passiert, wenn wir Infomaterial verkaufen?“

„Ohne Rechtsform gehen doch keine Verhandlungen um ein Hauskauf!?“

Die Lebenserfahrung und Google bringen offenbar sehr viele Gruppen frühzeitig dazu, das steuerliche und rechtliche Korsett ihres Vorhabens zu bearbeiten, sich den kapitalistischen Risiken und Nebenwirkungen ausgiebig zu widmen. Das Ziel der Gruppe wird unter dem Aspekt was angeblich erlaubt und gestattet ist durchleuchtet, wie drohende Gefahren durch Vorschriften vermieden werden können.

So müssen oft bereits ausgebrochene und mit Halbwissen energisch geführte Kontroversen, z.B. ob ein Verein wirtschaften darf oder der Vorstand persönlich für alles haften muss, wieder auf den Ausgangspunkt zurück gelenkt werden: was wird von den Beteiligten ungeschminkt gewollt, was motiviert sie ursprünglich an dem Vorhaben?

Das Denken ist immer erlaubt und davon sollte kräftig Gebrauch gemacht werden! Selbstverständlich soll keine Gemeinschaft naiv in offene (Behörden-) Messer laufen, doch der Spielraum, Ideen und Inhalte konsequent und zielgerichtet zunächst ohne Buchhaltung, Steuernummer und Geschäftsführer voranzutreiben und zu erproben ist in aller Regel sehr groß. Und für eine stabile Entwicklung von Projekten absolut sinn- und wertvoll. So werden z.B. bereits bestehende Betriebe oder Vereine für einen ersten öffentlichen Auftritt als Trittbrett ‚benutzt’ oder eine sehr einfache offizielle Rechtsperson vorläufig gegründet, usw..

Und fast immer kommt es in Gruppen zunächst auf Zivilcourage, offene Auseinandersetzung und viel Vertrauen untereinander an und nicht auf das korrekte steuerliche und rechtliche Gewand. In den 80igern hieß es vielleicht etwas sehr hochmütig: Illegal – Scheißegal! Heute würden etwas mehr Mut und weniger vorauseilender Gehorsam den vielen phantastischen Ideen und engagierten Zielen mehr authentische Strahlkraft und Praxis verleihen.